Essigherstellung

Essiggewinnung damals und heute. Erfahren Sie, wie die Menschen in der Antike an ihr Erfrischungsgetränk kamen und wie heute mithilfe der Technik Essig zum Verzehr oder für die Industrie gewonnen wird.

"Zeit ist Geld" lautet ein Spruch, den sich heute nicht nur gestresste Manager auf die Fahne schreiben. Früher galt dagegen das Motto Gut Ding will Weile haben. Dieser Unterschied von früher zu heute trifft in vielen Bereichen zu, so auch in der Essigherstellung. Während früher die Menschen geduldig warteten, bis die Essigbakterien den Alkohol in Essig umgewandelt hatten, bleibt dazu heute keine Zeit.

Damals konnten mehrere Monate vergehen, bis aus Wein oder Bier die saure Flüssigkeit geworden ist. Heute jedoch wird der Alkohol auf technischem Weg in nur 24 Stunden fermentiert. Allerdings blieb den Menschen früher gar keine andere Möglichkeit, als zu warten. Denn die genaue Funktionsweise der Essigherstellung war noch nicht bekannt, sondern blieb dem Zufall überlassen. Heute hingegen sind alle Schritte bis ins Kleinste erforscht, perfektioniert und beschleunigt.

Essigherstellung früher

Auch wenn es früher mit einem erheblichen Zeitaufwand verbunden war, bis sich aus dem Alkohol der gewünschte Essig entwickelt hatte, so war der Vorgang jedoch keineswegs besonders kompliziert. Ganz im Gegenteil: Irgendein alkoholisches Getränk mit einem Gehalt zwischen vier und sieben Prozent wurde in einem bauchigen Gefäß stehen gelassen.

Im Privathaushalt diente dazu in der Regel ein glasierter Tonkrug. Bei der professionellen Essigherstellung wurden Fässer verwendet. Als alkoholische Getränke kamen hauptsächlich Bier und Wein in Frage. Sowohl der Krug, wie auch das Fass blieb dabei offen. Dadurch konnten Essigbakterien, die sich in der Luft befanden oder durch Fruchtfliegen eingebracht wurden, an der Oberfläche der Flüssigkeit niederlassen.

Gleichzeitig war die Sauerstoffzufuhr von außen gegeben und die Bakterien machten sich ans Werk. Sie siedelten sich auf dem Bier oder Wein an und verwandelten den Alkohol in Essig.

Die heute bekannte, chemische Formel für die Herstellung von Essig lautet:
Ethanol + Sauerstoff → Essigsäure + Wasser

Allerdings war diese Formel früher nicht bekannt, sodass die Umwandlung nach dem Zufallsprinzip erfolgte. Es konnten sechs Monate oder gar ein ganzes Jahr vergehen, bis die Bakterien die alkoholische Flüssigkeit fermentiert hatten. Hinzukam, dass nicht jeder Umwandlungsversuch gelang. Denn leider sind in der Luft ja nicht nur die Essigbakterien vorhanden.

Auch Hefepilze konnten über die Luft in den offenen Krug oder das Fass gelangen. Dann jedoch bildete sich auf der Oberfläche von Wein oder Bier eine schimmelige Haut. Alles Warten war für die Katz. Die Prozedur musste von vorne begonnen werden. Die Wartezeit begann also erneut und auch das Risiko eines erneuten Fehlversuchs war natürlich nicht ausgeschlossen.

Essigherstellung

Essigherstellung heute

Selbstverständlich sind die chemischen Gesetzmäßigkeiten heute noch immer die gleichen, wie früher. Allerdings hat sich das Wissen innerhalb der Naturwissenschaften und das Verstehen komplexer Vorgänge wesentlich verbessert. Dass Essig aus Essigsäure und Wasser besteht, hat sich logischerweise nicht verändert.

Aber da heute nicht nur bekannt ist, dass Bakterien für die Fermentation des Alkohols verantwortlich sind, sondern wir außerdem die Lebensbedingungen dieser Bakterien kennen, können wir unser Wissen gezielt nutzen:

  • Das Warten bis Fruchtfliegen Essigbakterien in die alkoholische Flüssigkeit verbracht haben, fällt weg. Denn heute wird der Wein in große Tanks gefüllt und dort absichtlich mit den notwendigen Bakterienstämmen versetzt. Dieser Vorgang wird als Impfen bezeichnet: Die Maische wird mit Essigbakterien geimpft.
  • Außerdem kennen wir die Lebensbedingungen der Essigbakterien. Damit die Mikroorganismen möglichst rasch ihr Werk vollbringen, benötigen sie eine bestimmte Temperatur. Um also abermals die Essigherstellung zu beschleunigen, sorgen wir für eine konstante Temperatur zwischen 25 und 30 Grad Celsius, der Lieblingstemperatur der Bakterien.
  • Ein weiterer wichtiger Faktor ohne den die winzigen Organismen die Umwandlung von Alkohol in Essig nicht vollziehen können, lässt sich aus der obigen Formel (Ethanol + Sauerstoff → Essigsäure + Wasser) ablesen. Den notwendigen Sauerstoff erhalten die Essigbakterien nicht nur aus der Luft, sondern auch er wird über ausgeklügelte Belüftungssysteme gezielt zugeführt.

Der wissenschaftliche Fortschritt hat bewirkt, dass die Essigherstellung heute um ein vielfaches schneller zu bewerkstelligen ist. Denn während bis ins 18. Jahrhundert teilweise noch 12 Monate notwendig waren, um den Alkohol in Essig zu verwandeln, geschieht das heute, je nach Größe der Anlage, in weniger als 60 Stunden.

Industrielle Essigherstellung

Der vielseitig verwendbare Essig wird heute in großen Industrieanlagen hergestellt. Für das Verfahren, das zur Essigherstellung angewandt wird, spielt es eine Rolle, ob die saure Flüssigkeit später als Reinigungsmittel verwendet werden soll, oder ob sie zum Verzehr bestimmt ist.

Gärverfahren Herstellung von Würzessig: Soll die saure Flüssigkeit den Salat verfeinern, wird sie zur Senfherstellung benötigt, ist sie zum Einlegen von Gurken und Zwiebeln gedacht oder soll sie gar pur als Aperitif oder Digestif genossen werden, wird der Essig für den Verzehr immer im Gärverfahren hergestellt. In der Essigindustrie haben sich hierfür zwei unterschiedliche Methoden entwickelt. Das Rundpumpverfahren und das Submersverfahren:

  1. Beim Rundpumpverfahren sitzen die Mikroorganismen auf kleinen Buchenspänen, auf Kunststoff- oder auf Keramikteilchen. Große Tanks werden zu zwei Dritteln mit den bakterienbesetzten Teilchen befüllt. Von oben rieselt die Maische aus Wein, Branntwein oder einer anderen alkoholhaltigen Flüssigkeit auf die Späne und von unten wird Luft in die Tanks geblasen. Dieser Vorgang wiederholt sich ständig. Die Temperatur und die Luftzufuhr werden ständig kotrolliert und reguliert. Dadurch lassen sich die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Bakterien auf dem Optimum halten. Die Essigherstellung geht zügig vonstatten und schon nach ungefähr sechs Tagen ist der Alkohol vergärt. Der Rohessig wird abgelassen.
  2. Das Submersverfahren erlaubt eine noch schnellere Essigherstellung. Denn bei dieser Methode schwimmen die Essigbakterien in der Maische. Den notwendigen Sauerstoff bringt ein rotierender Belüfter ein. Er verteilt feine Bläschen gleichmäßig im Behälter. Ist nach circa 24 Stunden die Gärung abgeschlossen, lassen die Hersteller jedoch nur die Hälfte des Rohessigs ab. Die andere Hälfte verbleibt im Tank. Dann wird mit frischer Maische aufgefüllt und der Prozess beginnt von Neuem. Durch diese Vorgehensweise ist gewährleistet, dass noch ausreichend Bakterien im Tank schwimmen. Wegen der idealen Bedingungen können sie sich rasch vermehren und auch die neue Maische innerhalb von 24 Stunden zu Essig vergären. Auch beim Submersverfahren werden die Temperatur und die Belüftung regelmäßig kontrolliert und auf dem Optimum gehalten.

Damit aus dem Rohessig ein geschmackvoller Tafelessig wird, darf er vor der Abfüllung in Flaschen noch eine Zeit lang reifen. Je nach Hersteller wird er außerdem mit Kräuter- oder Fruchtauszügen veredelt.

Herstellung von Industrieessig: Der Industrieessig, den wir als Essigessenz kennen und als umweltfreundliches Reinigungsmittel im Hause haben, wird aus Acetylen, einem äußerst aggressiven Gas hergestellt. Dazu wird zunächst aus dem Gas Acetaldehyd gewonnen, das wiederum in Essigsäure umgewandelt wird.

Der synthetische Essig ist zunächst hoch konzentriert und sehr gefährlich. Daher wird er so lange mit Wasser verdünnt, bis die Essigsäure nur noch einen Anteil von 25 Prozent einnimmt. Die Essigessenz ist fertig. Weil Essigessenz durch den Säuregehalt ätzend ist, sollten Sie stets vorsichtig mit dem Reinigungsmittel umgehen.

Essigherstellung mit Essigmutter

Essigbakterien, die durch Gärung aus Alkohol Essig machen, werden vom Fachmann Essigmutter genannt. Somit ist die Essigherstellung mit Essigmutter nichts anderes, als die traditionelle Gärmethode. Wie Sie selbst Essig mithilfe der Essigmutter produzieren können, lässt sich am einfachsten anhand eines kleinen Rezeptes erklären:

  • Da zur Essigbildung immer Alkohol notwendig ist, müssen Sie zunächst aus einem natürlichen, trüben Apfelsaft Apfelwein herstellen. Dazu benötigen Sie Gärhefe und einen Gärbehälter.
  • Ist der selbst gemachte Apfelwein fertig, füllen Sie ihn in ein bauchiges Gefäß und geben zu einem Liter Apfelwein 100 Milliliter Essigmutter. Sie sind nun also in dem Stadium angelangt, in dem Sie den Alkohol mit den Essigbakterien impfen. Die Essigmutter können Sie im Internet kaufen, oder Sie züchten sich die Essigbakterien selber. Wie das funktioniert, können Sie auf der SeiteEssigmutter herstellen nachlesen.
  • Damit sich keine fremden Bakterien oder Hefepilze ins Gefäß verirren, decken Sie die Öffnung mit einem Kaffeefilter ab. Der Kaffeefilter versperrt zwar ungewollten Eindringlingen den Weg in die Maische, lässt aber noch Luft ins Gefäß, sodass die Bakterien ausreichend mit Sauerstoff versorgt sind. Denn vergessen Sie nicht, für die Essigherstellung sind sowohl Alkohol, wie auch Sauerstoff notwendig.
  • Weil die Bakterien außerdem eine Temperatur zwischen 25 und 30 Grad Celsius lieben, stellen Sie Ihr Gefäß zur Essigherstellung an einen warmen Ort. Dort sollten Sie es circa zwei Wochen stehen lassen. Um die Sauerstoffzufuhr zu erhöhen, können Sie das Fermentiergefäß ab und zu schwenken.
  • Sind die 14 Tage vorüber, müsste sich auf der Flüssigkeit eine dünne Haut gebildet haben. Sie ist ein Anzeichen, dass die Essigbakterien sich niedergelassen und mit ihrer Arbeit begonnen haben.
  • Nun müssen Sie sich lediglich ein paar Wochen in Geduld üben. Dann ist der Rohessig fertig.
  • Gießen Sie den Rohessig durch einen Filter in eine dunkle Flasche und bewahren Sie ihn kühl auf.
  • Erst nach weiteren zwei bis drei Monaten ist die Reife endgültig abgeschlossen und Sie können den selber hergestellten Apfelessig genießen.
  • Füllen Sie ihn in kleine Flaschen um, die Sie entweder selber in der Küche verwenden oder an liebe Freunde verschenken.

Essig ist übrigens wegen seines Säuregehalts unbeschränkt haltbar. Er verdirbt nicht. Sollte sich auf Ihrem selbstgemachten Apfelessig jedoch einen dünne Haut bilden, ist das eine neue Essigmutter. Sie können die Essigbakterien herausfiltern und für Ihren nächsten selbstgemachten Essig nutzen.

Weitere Rezepte finden Sie hier: Apfelessig selber machen